VW-Abgasskandal: Handelsgericht Wien stellt sich auf Seite des Autofahrers und gibt Klage eines von Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, LL.M. vertretenen Käufers auf Rückzahlung des Kaufpreises samt Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des manipulierten Dieselfahrzeugs und unter Anrechnung eines Benützungsentgelts statt
Neue Hoffnung für vom VW-Abgasskandal betroffene Autofahrer
Neuen Grund zu hoffen gibt es für Besitzer eines im VW-Abgasskandal manipulierten Dieselfahrzeuges des VW-Konzerns (VW, Audi, Skoda, Seat): Das Handelsgericht Wien hat mit Urteil vom 29. August 2017 der Klage eines vom VW-Abgasskandal betroffenen Autofahrers gegen einen VW-Händler stattgegeben. Das Handelsgericht Wien bestätigte, dass die in dem klagsgegenständlichen Fahrzeug verbaute Software eine unzulässige Abschalteinrichtung und damit einen Mangel darstellt. Entsprechend hob das Gericht die Kaufverträge über das Dieselfahrzeug und das Zubehör (Winterreifen, Felgenschloss) auf. Weiters verpflichtete das Gericht den Händler, dem Autokäufer den Kaufpreis samt 4 % Zinsen zurückzuzahlen, Zug um Zug gegen Rückgabe des manipulierten Fahrzeugs und unter Anrechnung eines Benützungsentgelts. Damit reiht sich das Handelsgericht Wien in die Tendenz der deutschen Landgerichte, welche zwischenzeitig fast täglich neue Entscheidungen zugunsten der Autofahrer treffen.
Der Kläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, LL.M. von LEGAL CHAMBERS Kainz, kaufte von einem VW-Vertragshändler am 21.12.2011 einen Audi A4 Avant, 2.0 l TDI als Neufahrzeug samt Winterreifen und einem Felgenschloss als Zubehör. Das Fahrzeug gehört zu jenen 363.400 Fahrzeugen in Österreich, die mit einem Motor des Typs EA 189 ausgestattet sind. Diese Motoren enthalten eine Software, die erkennt, wenn die Fahrzeuge auf einem Prüfstand unter Laborbedingungen stehen. In diesem Fall schaltet die Software in einen Modus, in dem die Abgasaufbereitung optimiert wird und möglichst wenige Stickoxide (NOx) entstehen. Im Straßenbetrieb schaltet die Software in einen anderen Modus, in welchem die Abgasbegrenzung nahezu ausgeschaltet wird. Laut der US-amerikanischen Umweltschutzbehörde EPA entstehen dadurch auf der Straße 10- bis 40-Mal so hohe Stickoxide (NOx) wie auf dem Prüfstand und entsprechend vom Hersteller angegeben. Entsprechend müssen die vom VW-Abgasskandal betroffenen Fahrzeuge im Rahmen eines Softwareupdates nachgerüstet werden. Fahrzeuge mit 1,6 l-Motoren erhalten zusätzlich eine neue Hardware.
Der Käufer begehrte vom Handelsgericht Wien mit Klage vom 9. Juni 2016 die Aufhebung des Kaufvertrages über den Audi A4 Avant sowie der damit verbundenen Kaufverträge über die Winterreifen und das Felgenschloss. Nach Ansicht des Klägers stellte bereits die in seinem Fahrzeug verbaute unzulässige Abschaltvorrichtung einen wesentlichen Mangel dar, der den Käufer zur Aufhebung des Kaufvertrages im Rahmen der Gewährleistung berechtigt. Weiters argumentierte der Kläger, u.a. über die Manipulationsfreiheit, die durchzuführende Nachrüstung und die Umweltfreundlichkeit des gekauften Fahrzeugs geirrt zu haben. Folglich verlangte der Kläger vom Händler die Aufhebung der Kaufverträge und entsprechend die Rückzahlung des bezahlten Kaufpreises samt 4 % Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des manipulierten Dieselfahrzeugs samt Zubehör. Hinsichtlich des Benützungsentgelts argumentierte der Kläger, dass ein solches – wenn überhaupt – nach der für den Autofahrer günstigeren Formel des deutschen BGH zu berechnen sei.
Unzulässige Abschalteinrichtung als Sachmangel
Das Handelsgericht Wien folgte der Ansicht des Käufers und gab der Klage statt. Wie bereits das deutsche Kraftfahrtbundesamt (KBA) in seiner Mitteilung vom 16. Oktober 2015 ausgesprochen hatte, bestätigte auch das Handelsgericht Wien, dass die zwei verschiedenen Modi und die damit verbundene Einflussnahme auf die Abgasrückführung eine unzulässige Abschaltvorrichtung iSv Art 3 Z 10 der VO 715/2007 darstellen. Dass ein Neuwagen über keine unzulässigen Einrichtungen – wie eine durch die VO 715/2007 verbotene Abschalteinrichtung – verfügt, sei eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft. Der Kläger habe nach der Verkehrsauffassung annehmen dürfen, dass das gegenständliche Fahrzeug keine rechtswidrigen Komponenten zu Lasten der Umwelt enthält. Die verbaute Abschalteinrichtung stelle daher einen bereits bei Übergabe vorhandenen Sachmangel dar.
Durchführung des Softwareupdates unzumutbar
Eine (versuchte) Verbesserung des Mangels habe der Kläger der beklagten Partei bzw. VW nicht einräumen müssen, da das Softwareupdate von VW und somit jenem Hersteller entwickelt wurde, der auch die ursprüngliche Software (unzulässige Abschalteinrichtung) im VW-Abgasskandal in das Fahrzeug eingebaut hat obwohl er sich jahrelang in der Werbung als umweltfreundliches Unternehmen dargestellt hat, das Wert auf die Herstellung umweltschonender Fahrzeuge legt. Die Durchführung des Softwareupdates sei dem Kläger sohin nicht zumutbar. Schon die Zeitkomponente, bis das Softwareupdate für das klagsgegenständliche Fahrzeug entwickelt war, rechtfertigt die Annahme, dass es sich nicht um einen geringfügigen Mangel handelt. Der Kläger sei daher zur Wandlung des gegenständlichen Kaufvertrages bereits im Rahmen der Gewährleistung berechtigt.
Gemeinsamer Irrtum über unzulässige Abschalteinrichtung
Da sowohl der Kläger wie auch der Verkäufer über das Vorliegen einer unzulässigen Abschaltvorrichtung geirrt hätten, liege auch ein gemeinsamer Irrtum vor. Dieser Irrtum sei wesentlich gewesen, da der Kläger in Kenntnis der unzulässigen Abschalteinrichtung das klagsgegenständliche Fahrzeug und in Folge die Winterreifen und das Felgenschloss nicht gekauft hätte. Der Kläger sei daher auch zu einer Vertragsanfechtung wegen Irrtums und einer Rückabwicklung des Kaufvertrages gem. § 877 ABGB berechtigt. In Folge dessen hob das Handelsgericht Wien den zwischen dem Käufer und dem Händler geschlossenen Kaufvertrag über das manipulierte Auto sowie den Kaufvertrag über die Winterreifen und das Felgenschloss auf und verpflichtete den Händler, den damals bezahlten Kaufpreis samt 4 % Zinsen Zug um Zug gegen Rückgabe des manipulierten Audi A4 Avant sowie des Zubehörs zu zahlen.
Benützungsentgelt nach für Autofahrer günstigeren „deutschen Formel“
Im Gegenzug muss sich der Kläger im Rahmen des Vorteilsausgleichs ein angemessenes Benützungsentgelt für die Dauer der tatsächlichen Fahrzeugnutzung anrechnen lassen, weil er sich den Aufwand für ein Ersatzfahrzeug erspart hat. Bahnbrechend ist, dass das Handelsgericht Wien für die Berechnung des Gebrauchsvorteils erstmals in Anlehnung an die – für Autofahrer grundsätzlich günstigere – deutsche Rechtsprechung die Formel „Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer / erwartete Gesamtlautleistung“ heranzieht. Das Handelsgericht Wien stützt diese Ansicht mit Verweis auf das bei EUR 0,42 liegende amtliche Kilometergeld: Da die vom Käufer ohnehin selbst getragenen Kosten für Treibstoff, Versicherung, Steuern, Autobahngebühren, Service, etc. aus dem Kilometergeld herausgerechnet werden müssen, bleibt als ersatzfähiger Kostenfaktor die Abschreibung für Wertverlust, die bei einem Neuwagen mit 40 % anzusetzen sei und welche bei der gefahrenen Kilometerzahl von 34.500 zu einem vergleichbaren Benützungsentgelt wie nach der deutschen Formel führt.
Als „richtungsweisend“ und „ermutigend für die betroffenen Autofahrer„, bezeichnet Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, LL.M. das Urteil. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Achtung vor dem Ablauf des Verjährungsverzichts am 31.12.2017
Betroffene Autofahrer sollten sich mit der gerichtlichen Geltendmachung ihrer Ansprüche nicht mehr viel Zeit lassen, denn am 31.12.2017 läuft der von den meisten Vertragshändlern abgegebene Verjährungsverzicht aus und bis dahin muss eine Klage bei Gericht eingebracht sein. Für weitere Fragen und/oder ein kostenloses Erstgespräch kontaktieren Sie gerne Herrn Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, LL.M.
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