Ausgangspunkt in Frankreich
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat am 17. Dezember 2020 ein bahnbrechendes Urteil erlassen, das die Rechte der Autofahrer, die vom Abgasskandal betroffen sind, erheblich stärkt.
Ausgangspunkt der Entscheidung des EuGH war ein von der französischen Justiz im Hinblick auf den Abgasskandal eingeleitetes Strafverfahren. Im Zuge dessen richteten die dortigen Untersuchungsrichter aufgrund der eingesetzten Manipulationssoftware diverse Fragen an den EuGH. Diese Fragen betrafen die Auslegung des EU-Rechts im Zusammenhang mit sog. Abschalteinrichtungen.
Vom EuGH zu klärende Fragen
Zur Klärung der ihm vorgelegten Fragen musste der EuGH zunächst einige Begriffe jener Verordnung, die Abschalteinrichtungen grundsätzlich für unzulässig erklärt und die die Einhaltung der Abgasgrenzwerte gebietet (Verordnung (EG) Nr. 715/2007) auslegen. Sodann musste der EuGH beurteilen, ob die von VW eingesetzte Manipulationssoftware, die verharmlosend teils als „Umschaltlogik“ bezeichnet wird, eine unzulässige Abschalteinrichtung darstellt. Weiters prüfte der EuGH, ob Ausnahmen vorliegen, die den Einsatz dieser Abschalteinrichtung rechtfertigen könnten.
EuGH: klare Absage an Abschalteinrichtungen
In seinem Urteil vom 17. Dezember 2020, AZ C-693/18, erteilte der EuGH der Verwendung derartiger Abschalteinrichtungen nunmehr eine klare Absage: Der EuGH urteilte, dass das Verwenden einer Einrichtung, deren einziger Zweck darin besteht, die Einhaltung der in der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 festgelegten Emissionsgrenzwerte nur während der Testphase der Typgenehmigung zu gewährleisten, gegen die Verpflichtung einer wirksamen Begrenzung der Emissionen unter normalen Nutzungsbedingungen des Fahrzeugs verstößt. Der Umstand, dass die normalen Einsatzbedingungen der Fahrzeuge ausnahmsweise den bei den Genehmigungsverfahren angewandten Fahrbedingungen entsprechen und damit im Einzelfall die Leistung der fraglichen Einrichtung verbessern können, ändere nichts an dieser Auslegung. Dies, da unter normalen Einsatzbedingungen der Fahrzeuge das Ziel der Verringerung der NOx-Emissionen in der Regel nicht erreicht wird.
EuGH verwirft VW-Argument: Motorschutz rechtfertigt keine Ausnahme
Der EuGH verwarf die Argumentation von VW, wonach der Einsatz der Abschalteinrichtung zulässig sei, um den Motor vor Alterung und Verschmutzung zu schützen. Würde man dieser Rechtsansicht folgen, so der EuGH, wäre die Verordnung (EG) Nr. 715/2007 ausgehöhlt und nicht effektiv und würden dadurch die Ziele der Verordnung vereitelt werden, nämlich einen hohen Umweltschutz und die Verbesserung der Luftqualität zu garantieren. Damit folgte der EuGH den Schlussanträgen der Generalanwältin Eleanor Sharpston vom 30. April 2020.
Schlussfolgerungen des EuGH: Umlegung auf andere Fälle im Abgasskandal möglich
Das EuGH-Urteil hat gewichtige Auswirkungen auf den Abgasskandal: Insbesondere lassen sich die Schlussfolgerungen des EuGH, wonach eine Verringerung der NOx-Emissionen unter normalen Einsatzbedingungen erfolgen muss, auf andere im Abgasskandal verwendete Abschalteinrichtungen, wie insbesondere sog. Thermofenster, umlegen. Diese von zahlreichen anderen Herstellern, u.a. Audi, Porsche oder Mercedes bzw. Daimler, verwendeten Thermofenster sorgen großteils nämlich, ebenso wie die von VW verwendete Software, dafür, dass eine volle Abgasrückführung und damit optimale Reduktion der NOx-Emissionen gerade im NEFZ und im Regelfall nicht im realen Straßenbetrieb stattfindet. Die Entscheidung des EuGH kann daher für sämtliche Autofahrer, die vom Abgasskandal betroffen sind, erhebliche Bedeutung haben.
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Hier finden Sie das Urteil des EuGH vom 17. Dezember 2020, AZ C-693/18 (aktuell nur auf französisch verfügbar).
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