Sensationsurteil im Dieselskandal

Audi A1 vom Dieselskandal betroffen

Mit Superlativen soll man bekanntlich sparsam sein. Das Urteil des Handelsgerichtes Wien vom 30. März 2021 (GZ 20 Cg 69/17a) verdient jedoch wohl die Bezeichnung „Sensationsurteil“ im Dieselskandal. Hintergrund dieses Urteils war die Klage einer von LEGAL CHAMBERS Kainz, Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz vertretenen Klägerin. Die Klägerin beanstandete, dass ihr Audi A1 vom Dieselskandal betroffen ist und begehrte die Aufhebung und Rückabwicklung des Kaufvertrages.

Händler anerkennt Klagebegehren dem Grunde nach

Obgleich sich der Händler, im Anlassfall die Porsche Inter Auto GmbH & Co KG, zu Beginn uneinsichtig zeigte und behauptete, bei der im Fahrzeug verbauten Software handle es sich nicht um eine unzulässige Abschalteinrichtung, anerkannte dieser im Laufe des Verfahrens sodann plötzlich das Klagebegehren dem Grunde nach. Mit Schriftsatz vom 6. Juli 2020 teilte die Beklagte mit, sich dazu entschlossen zu haben, das Klagebegehren (Hauptbegehren) im vorliegenden Einzelfall dem Grunde nach anzuerkennen. Dies freilich „aus rein prozessökonomischen Gründen und gänzlich unpräjudiziell, ohne Anerkennung irgendeiner diesbezüglichen Rechtspflicht“.

Signalwirkung für andere VW Klagen im Dieselskandal

Die sog. „materielle Rechtskraftwirkung“ eines Anerkenntnisses gilt grundsätzlich nur bei Identität des Anspruchs, der Parteien und des rechtserzeugenden Sachverhalts. Heißt: Unmittelbare Wirkung auf andere Verfahren hätte das Anerkenntnis u.a. nur dann, wenn auch die Parteien dieselben wären. Dies ist in der Regel nicht der Fall. Das Anerkenntnis hat dennoch Bedeutung für andere VW Verfahren im Dieselskandal: Nach dem Obersten Gerichtshof umfasst das Anerkenntnis nämlich auch die Behauptung der sog. „rechtserzeugenden Tatsachen“. Das bedeutet: Weil die Klägerin in ihrem Verfahren vorgebracht hat, dass VW die Abgaswerte nur mithilfe einer unzulässigen Abschalteinrichtung erreicht hat und das Softwareupdate keine Verbesserung bringt, hat der Händler durch sein Anerkenntnis auch diese Behauptungen anerkannt. LEGAL CHAMBERS Kainz steht auf dem Standpunkt, dass diese anerkannten Behauptungen daher auch auf andere VW Verfahren durchschlagen.

Für VW wird es eng im Dieselskandal

Für Porsche wird es sohin schwer, in laufenden Verfahren immer noch an der – aufgrund des Manipulationseingeständnisses von VW – ohnehin fragwürdigen Ansicht festzuhalten, dass es sich bei der verwendeten Software um keine unzulässige Abschalteinrichtung handle. Dies umso mehr, als der gegenständliche Händler, die Porsche Inter Auto GmbH & Co KG, eine österreichische Konzerntochter von VW ist.

Benützungsentgelt ja oder nein, wenn ja, wie hoch?

Im Verfahren hatte das HG Wien sohin nur mehr zu entscheiden, ob ein Benützungsentgelt anfällt, und wenn ja, in welcher Höhe.

Obwohl der in dem Verfahren bestellte Sachverständige in seinem ursprünglichen Gutachten zu dem Ergebnis gekommen war, entsprechend den „Vorgaben der Judikatur“ eine lineare Abwertung über die zu erwartende Gesamtnutzungsdauer ab dem Kaufzeitpunkt zugrunde zu legen, entschied sich das Gericht in seinem Urteil sodann, eine Berechnung nach „Händlereinkaufspreis“ vorzunehmen. Das HG Wien rechtfertigte diese für die Kläger im Regelfall nachteiligere Berechnungsmethode damit, dass diese die „ständige Rechtsprechung“ des Obersten Gerichtshofs sei. Das ist allerdings nicht der Fall: Der OGH hat erst kürzlich ausdrücklich ausgesprochen, dass das Bewertungsmodell nach „Händlereinkaufspreis“ nicht das einzig zulässige ist und insbesondere auch eine Bewertung nach der linearen Abwertung zulässig ist (4 Ob 21/21y). Genau diese – für die AutokäuferInnen – günstigere Berechnungsmethode favorisiert auch die herrschende Lehre und wendet auch der deutsche Bundesgerichtshof (BGH) in ständiger Rechtsprechung an. Auch das HG Wien selbst hat in früheren Entscheidungen die lineare Berechnungsmethode herangezogen. Insofern ist die nunmehrige Entscheidung des HG Wien in diesem Punkt nicht nachvollziehbar.

Die Diskussionen um die anzuwendende Berechnungsmethode sind natürlich unabhängig von der Frage, ob bei einer Manipulation der Abzug eines Benützungsentgelts überhaupt gerechtfertigt ist. Es gibt gute Gründe, die gegen einen solchen Abzug sprechen.

Entscheidung geht in die zweite Instanz

Nach dem Urteil des HG Wien erhält die Klägerin den Kaufpreis samt Zinsen, Zug um Zug gegen Rückgabe des Audi A1 zurück. Die Klägerin muss sich, wie bereits erwähnt, ein Benützungsentgelt abziehen lassen. Die Klägerin hat daher gegen das Urteil Berufung erhoben. Auch die beklagte Partei hat ein Rechtsmittel eingelegt. Die Entscheidung ist folglich noch nicht rechtskräftig. Über die Rechtsmittel von Klägerin und Händler entscheidet nunmehr das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht.

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weiterführende Links

Urteile von LCK (Auszug):
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LCK Seiten zum Abgasskandal:
Allgemeine Informationen zu Dieselgate / Abgasskandal
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