HG Wien hebt Kaufvertrag über VW Golf auf
Das Handelsgericht Wien hat erneut im Sinne einer von LEGAL CHAMBERS Kainz, Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, LL.M. vertretenen Autokäuferin geurteilt. In dem bereits im November letzten Jahres ergangenen Urteil (GZ 41 Cg 94/17g) hebt das HG Wien den Kaufvertrag über einen VW Golf, BMT, 1,6 l TDI, der vom Abgasskandal betroffen ist, auf. Der Händlerbetrieb muss der Käuferin den Kaufpreis samt Zinsen Zug um Zug gegen Rücknahme des VW Golf zurückzahlen. Die Käuferin muss sich ein Benützungsentgelt anrechnen lassen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Beide Parteien haben Rechtsmittel erhoben.
Keine Verjährung – neue Verjährungsfrist nach Softwareupdate
Das HG Wien spricht zunächst aus, dass die Ansprüche der Klägerin nicht verjährt seien. Die Klägerin hatte den Kaufvertrag zwar bereits im Jahr 2009 geschlossen und das Fahrzeug 2010 übergeben erhalten. Nach Ansicht des HG Wien beginne bei einer Verbesserung bzw. einem erfolglosen Verbesserungsversuch die Gewährleistungsfrist aber mit Abschluss der auf die Verbesserung gerichteten Tätigkeit neu zu laufen. Als Verbesserungsversuch gelte das im Mai 2017 aufgespielte Softwareupdate. Bei diesem wurde auch ein Strömungsgleichrichter eingebaut. Entsprechend seien die Ansprüche nicht verjährt, weil die Klage im November 2017 eingebracht wurde.
Damit folgt das HG Wien einer seiner früheren Entscheidungen im Abgasskandal. Bereits mit Urteil vom 21. August 2018 hatte das HG Wien erkannt, dass die Ansprüche eines im Jahr 2010 gekauften VW Golf nicht verjährt seien. Entsprechend hatte das HG Wien auch damals den Kaufvertrag über den VW Golf aufgehoben und den Händler zur Rückzahlung des Kaufpreises samt Zinsen abzüglich eines Benützungsentgelts Zug um Zug gegen Rückgabe des VW Golf verpflichtet (GZ 68 Cg 77/17f; LCK berichtete, „Dieselskandal: LCK erstreitet weiteres Urteil vor dem HG Wien“).
Unzulässige Abschalteinrichtung im VW Golf
Das HG Wien wies darauf hin, dass es eine gewöhnlich vorausgesetzte Eigenschaft sei, dass ein Neuwagen über keine unzulässigen Einrichtungen wie hier eine durch die Verordnung verbotene Abschalteinrichtung verfügt. Die Klägerin habe nach der Verkehrsauffassung jedenfalls annehmen dürfen, so das HG Wien, dass der VW Golf „keine rechtswidrigen Komponenten zu Lasten der Umwelt“ enthält. Die verbaute Abschalteinrichtung stelle daher einen Sachmangel dar, der bereits bei Übergabe vorhanden war.
Softwareupdate begründet (nicht bloß geringfügige) Mangelhaftigkeit
Weiterhin stellte das HG Wien unter Verweis auf die Rechtsprechung des OLG Wien (4 R 62/19w und 5 R 66/19s) und den deutschen Bundesgerichtshof (VIII ZR 225/17) klar, dass bereits die „Notwendigkeit, das betroffene Fahrzeug einem Software-Update zu unterziehen, um die Auflagen des KBA zu erfüllen und eine drohende Untersagung des weiteren Betriebes zu vermeiden“, eine negative Abweichung von der üblichen Beschaffenheit darstelle. Der wegen der verbauten Abschalteinrichtung und der Notwendigkeit, ein Update vorzunehmen, vorliegende Mangel werde, so das HG Wien weiter, nach der Rechtsprechung des OLG Wien als nicht bloß geringfügig angesehen.
Beweislast für Funktionieren des Softwareupdates bei Verkäufer
Das HG Wien auferlegte dem Verkäufer die Beweislast dafür, dass das Softwareupdate funktioniere. Das HG Wien verwies dabei auf das OLG Wien, wonach Negativfeststellungen zu den Auswirkungen des Softwareupdates zu Lasten des Beklagten gehen. Die Beklagte, deren Sphäre der ursprüngliche Mangel zuzuordnen sei, könne sich nicht auf die Schwierigkeit des „Negativbeweises“ berufen. Entsprechend kommt das HG Wien zu dem Schluss, dass die von ihm hinsichtlich des Softwareupdates getroffenen Negativfeststellungen im Hinblick auf die Haltbarkeit der Motorkomponenten zu einer Stattgebung der Klage führen. Da nicht festgestellt werden konnte, „ob bzw welche (negativen) Auswirkungen die vorgenommenen Verbesserungsmaßnahmen auf das Klagsfahrzeug, insbesondere unter Berücksichtigung der Gesamtlaufleistung oder der Dauerhaltbarkeit von Bauteilen, gehabt hat bzw hat“, habe der beweispflichtige Händlerbetrieb nicht den erforderlichen Nachweis erbringen können, dass das Softwareupdate eine taugliche Verbesserungsmaßnahme darstellte.
Kein weiterer Verbesserungsversuch
Einen weiteren Verbesserungsversuch lehnte die Klägerin berechtigt ab: Der Gewährleistungsgläubiger sei, so das HG Wien, nicht verpflichtet, wiederholte Verbesserungsversuche zuzulassen. Wandlung könne bereits nach dem ersten misslungenen Verbesserungsversuch begehrt werden.
LCK: richtiger Schritt gegen Autokonzerne im „Abgasskandal“
Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, LL.M., der das Verfahren führt, sieht das Urteil als wichtigen Schritt in die richtige Richtung.
„Die Autokäufer und Autokäuferinnen, die vom Abgasskandal betroffen sind, haben gar nicht die technischen Möglichkeiten, um in die komplexe Motorsteuerungssoftware Einblick zu nehmen. Dies gilt gleichsam für das Softwareupdate. Insofern ist es nur folgerichtig, den Herstellern und den bei ihnen zu verortenden Verkaufsbetrieben die Beweislast für das Funktionieren des Softwareupdates aufzuerlegen.“
In diesem Sinne hat auch bereits der OGH im Abgasskandal im Zusammenhang mit dem Softwareupdate ein Machtwort gesprochen: So bestätigte der OGH, dass der Übergeber, also der Verkäufer, als anspruchsvernichtende Tatsache behaupten und beweisen müsse, dass er den Mangel durch Verbesserung beseitigt hat (OGH, Beschluss vom 17.3.2020, GZ 10 Ob 44/19x).
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weiterführende Links
HG Wien, Urteil vom 21.8.2018, GZ 68 Cg 77/17f (Bericht von LCK)
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