Abgasskandal: HG Wien stärkt Rechte bei Leasing

Erfolg von LEGAL CHAMBERS Kainz für Leasingfahrer

HG Wien bestätigt Aufhebung von Kauf-, Leasing- sowie Kaufvertrag über Kaufoption

LEGAL CHAMBERS Kainz, Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, LL.M. konnte für einen Leasingfahrer im Abgasskandal vor dem Handelsgericht Wien einen weiteren Erfolg verbuchen (Urteil vom 7.12.2021, Az. 22 Cg 75/20b).

Der von LEGAL CHAMBERS Kainz vertretene Kläger hatte einen Audi Q3, 2.0 TDI quattro, erworben, der vom Dieselskandal betroffen ist. Die Finanzierung erfolgte in Form eines Leasing. Beide Verträge, Kauf- und Leasingvertrag, wurden bereits im Jahr 2012 abgeschlossen. Am Ablauftag des Leasing, im Jahr 2016, nahm der Käufer und Leasingnehmer die Kaufoption zum vereinbarten Restwert an.

Am 9. Oktober 2020 brachte LEGAL CHAMBERS Kainz für den Käufer und Leasingnehmer beim Handelsgericht Wien Klage gegen den Verkäufer des Fahrzeugs, den Leasinggeber, die Volkswagen AG („VW“) als Herstellerin des Motors sowie die AUDI AG („AUDI“) als Herstellerin des Fahrzeugs ein.

Mit Urteil vom 7. Dezember 2021 bestätigte das HG Wien die Aufhebung des Kaufvertrags, des Leasingvertrags sowie des Kaufvertrags über die Kaufoption. Zugleich sprach das HG Wien dem Leasingnehmer die von ihm entrichteten Leasingzahlungen unter Abzug eines Benützungsentgelts zu.

HG Wien: Leasing und Kauf des Fahrzeugs stellen Schaden dar

Das HG Wien führte in seinem Urteil aus, dass der Kläger durch den Kauf sowie das Leasing des Fahrzeugs, das vom Abgasskandal betroffen ist, einen Schaden erlitten habe. Dieser Schaden besteht nach Ansicht des HG Wien in der Entrichtung der Leasingentgelte sowie des Restwertkaufpreises, die der Leasingnehmer in Unkenntnis der in das Fahrzeug verbauten unzulässigen Abschalteinrichtungen entrichtet hatte. Das HG Wien bejahte einen Anspruch gegen den Leasinggeber auf Rückzahlung der Leasingentgelte.

Einen Schadenersatzanspruch gegen den Hersteller verneinte das HG Wien hingegen mit der Begründung, dass die Nutzung des Fahrzeugs den Schaden ausgeglichen hätte.

Garantie des Fahrzeugherstellers AUDI

AUDI hatte nach Durchführung des Softwareupdates bestätigt, dass das Fahrzeug des Klägers nunmehr „vollumfänglich den geltenden gesetzlichen Vorschriften“ entspreche sowie, dass keine sonstigen negativen Auswirkungen auf das Fahrzeug zu befürchten seien. Nach Ansicht des HG Wien war darin eine Garantie von AUDI zu erblicken.

„Thermofenster“ ist nach EU-Recht unzulässige Abschalteinrichtung

In dem Fahrzeug war sowohl vor als auch nach dem aufgespielten Softwareupdate ein sog. „Thermofenster“ eingebaut. Bei diesem Thermofenster handelt es sich um eine Software, die bewirkt, dass die volle Abgasrückführung nur in einem Temperaturbereich von 15 bis 33 Grad Celsius stattfindet. Außerhalb dieses Temperaturbereichs sind die Stickoxid-Emissionen daher deutlich höher und überschreiten regelmäßig den gesetzlichen Grenzwert.

Das HG Wien bestätigt in seinem Urteil die von LEGAL CHAMBERS Kainz vertretene Ansicht, dass es sich bei einem Thermofenster um eine Abschalteinrichtung handelt, die nach der EU-Verordnung (EG) Nr. 715/2007 unzulässig ist. Das Thermofenster fällt, so das HG Wien, nicht unter eine der in dieser Verordnung festgelegten Ausnahmebestimmungen. Insbesondere handle es sich bei dem Thermofenster um keine Einrichtung, die notwendig ist, um den Motor vor Beschädigung oder Unfall zu schützen und den sicheren Betrieb des Fahrzeugs zu gewährleisten.

In seinem Urteil bestätigt das HG Wien auch die von LEGAL CHAMBERS Kainz vertretene Ansicht, dass sich die Unzulässigkeit des Thermofensters bereits aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Dezember 2020 zum Az. C-693/18 ergibt. Insbesondere habe der EuGH, so das HG Wien, damit klargestellt, dass keine der in der EU-Verordnung (EG) Nr. 715/2007 vorgesehene Ausnahme für die Zulässigkeit einer Abschalteinrichtung vorliegt. Das HG Wien führt in diesem Zusammenhang aus, dass nach dem angesprochenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs die Fahrzeughersteller technische Maßnahmen ergreifen müssen, die sicherstellen, dass die Emissionen während der gesamten normalen Lebensdauer eines Fahrzeugs bei normalen Nutzungsbedingungen wirkungsvoll begrenzt werden. Da eine volle Abgasrückführung durch das Thermofenster nur in einem Temperaturbereich von 15 bis 33 Grad Celsius stattfindet, in Mitteleuropa jedoch über weite Teile des Jahres Temperaturen außerhalb dieses Bereichs vorliegen, findet nach richtiger Ansicht des HG Wien keine wirkungsvolle Begrenzung der Emissionen statt.

Durch den Verbau eines Thermofensters ist ein Fahrzeug daher als mangelhaft anzusehen, wobei ein derartiger Sachmangel nicht bloß geringfügig ist. Daher ist eine Wandlung (Aufhebung und Rückabwicklung) des Vertrages berechtigt.

Drohende Aufhebung der Typengenehmigung stellt Rechtsmangel dar

Nach der Ansicht von LEGAL CHAMBERS Kainz ist durch den Verbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung die Rechtsbeständigkeit der erteilten (EG-)Typengenehmigung gefährdet, wodurch der Entzug dieser Typengenehmigung droht, sodass im drohenden Entzug der (EG-) Typengenehmigung auch ein Rechtsmangel zu erblicken ist. Diese Auffassung hat das HG Wien in seinem Urteil vom 7. Dezember 2021 nunmehr richtigerweise bestätigt. Fahrzeuge, die vom Abgasskandal betroffen sind, sind daher mit mehreren Mängeln (Sach- und Rechtsmängel) behaftet.

Keine Verjährung trotz Vertragsabschlusses 2012

Das HG Wien folgte auch in Hinblick auf die Verjährung der Rechtsansicht von LEGAL CHAMBERS Kainz. Entsprechend führte es aus, dass die Ansprüche des Autokäufers und Leasingnehmers, trotz Abschluss von Kauf- und Leasingvertrag bereits im Jahr 2012, nicht verjährt sind. Grundsätzlich gilt für den Kauf einer beweglichen Sache, worunter auch ein Fahrzeug fällt, eine Gewährleistungsfrist von zwei Jahren ab Übergabe des Kaufgegenstandes. Allerdings beginnt nach richtiger Ansicht des HG Wien, die Verjährungsfrist mit der Durchführung des Softwareupdates frühestens ab diesem Zeitpunkt neu zu laufen, da dieses Aufspielen des Softwareupdates als Verbesserungsversuch im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen anzusehen ist. Darüber hinaus erfolgte eine Zusicherung von AUDI als Hersteller des Fahrzeugs, dass dieses nunmehr den gesetzlichen Bestimmungen entspreche. Dem Kläger war allerdings nicht erkennbar, dass sein Fahrzeug aufgrund des nach wie vor (d. h. auch nach dem Softwareupdate) eingebauten Thermofensters nicht den gesetzlichen Bestimmungen entspricht. Das HG Wien teilte dazu die Rechtsauffassung von LEGAL CHAMBERS Kainz, dass in einem derartigen Fall die Gewährleistungsfrist nicht mit Übergabe des Kaufgegenstandes zu laufen beginnt, sondern erst mit der Erkennbarkeit des Mangels.

Signalwirkung für Leasingnehmer im Dieselskandal

Das Urteil des HG Wien vom 7. Dezember 2021 hat Signalwirkung für Leasingnehmer von Fahrzeugen, die vom Dieselskandal betroffen sind. Das HG Wien bestätigt in diesem Urteil, dass Leasingnehmer, die ein Fahrzeug geleast haben, das vom Abgasskandal betroffen ist, zur gewährleistungsrechtlichen Wandlung dieses Leasingvertrages berechtigt sind. Zudem hat das HG Wien ausdrücklich bestätigt, dass Leasingnehmern durch die Entrichtung von Leasingentgelten im Dieselskandal ein Schaden entsteht.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Kontakt zu LEGAL CHAMBERS Kainz

LEGAL CHAMBERS Kainz, Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, ist eine der Vorreiterkanzleien im Dieselskandal. Wir führen zahlreiche Prozesse im Dieselskandal für Autokäufer, die vom Abgasskandal betroffen sind, gegen diverse Hersteller, u. a. gegen VW, Audi, Porsche und Mercedes (Daimler), vor zahlreichen Gerichten in Österreich und auch in Deutschland.

Für Rückfragen stehen Ihnen Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, LL.M. und das LCK-Team jederzeit gerne zur Verfügung.

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LCK Seiten zum Abgasskandal:
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