Erstes Urteil des OGH für LCK im Abgasskandal

LEGAL CHAMBERS Kainz, Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, LL.M. hat im Abgasskandal sein erstes Urteil vor dem OGH (3 Ob 142/22m vom 25.5.2023) für einen Mandanten erstritten.

Erstes und zweites Urteil des OGH im Abgasskandal zu 10 Ob 2/23a bereits im Februar und April 2023

Nachdem der OGH im Abgasskandal bereits in einem Verfahren – in dem LEGAL CHAMBERS Kainz nicht vertreten hatte – im Februar 2023 hinsichtlich Gewährleistungsansprüchen gegen einen Händler (10 Ob 2/23a vom 21.2.2023) und im April 2023 hinsichtlich Schadenersatzansprüchen gegen die Herstellerin VW (10 Ob 2/23a vom 25.4.2023 [dem EuGH zu C-100/21 vom 21.3.2023 folgend]), jeweils mit Urteil entschieden hatte, erhielt nunmehr auch der erste von LEGAL CHAMBERS Kainz vertretene Autokäufer ein positives Urteil vom OGH (3 Ob 142/22m vom 25.5.2023).

Urteil des OGH im Abgasskandal zu 3 Ob 142/22m: Verfahrensverlauf (1., 2. und 3. Instanz)

Klage beim Landesgericht St Pölten – LG St. Pölten hebt Kaufverträge auf (1. Instanz)

Der von LEGAL CHAMBERS Kainz vertretene Mandant hatte im November 2010 einen Audi A4 Avant, 2.0 l TDI als Neuwagen gekauft. In dem Fahrzeug ist ein Motor des Typs EA189 verbaut. Das Fahrzeug ist deswegen vom Abgasskandal betroffen und unterliegt einem Rückruf durch das deutsche Kraftfahrtbundesamt. Im Zusammenhang mit dem Kauf erwarb der Mandant auch vier Winterreifen. Der Gesamtkaufpreis betrug rund EUR 34.000,00.

Nachdem der Autohändler eine außergerichtliche Aufforderung zur Rücknahme des Fahrzeugs samt Winterreifen verweigert hatte, brachte LEGAL CHAMBERS Kainz, Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, der auf den Abgasskandal spezialisiert ist und zahlreiche Klienten vertritt, für den Autokäufer im Dezember 2017 Klage beim Landesgericht St. Pölten ein. Dieses entschied in erster Instanz zugunsten des Klägers und hob die Kaufverträge über das Fahrzeug und die Winterreifen auf. Es stellte fest, dass das Fahrzeug zu den Zeitpunkten des Vertragsabschlusses und der Übergabe mit einer Motorsteuerungssoftware ausgestattet war, die in der Lage war, zu erkennen, wann das Fahrzeug auf einem Prüfstand betrieben wird und die in diesem Fall für ein Umschalten des Motors in den NOx-optimierten Modus 1 sorgte, in welchem sich weniger Stickoxide (NOx) bildeten. Im Realbetrieb auf der Straße werde dieser NOx-optimierte Modus 1 nicht aktiviert, sondern das Fahrzeug im Modus 0 betrieben, in welchem die Abgasrückführungsrate nicht so hoch wie im Modus 1 sei. Das Fahrzeug sei daher nicht geringfügig mangelhaft gewesen. Eine Verbesserung sei in angemessener Frist zu bewirken, was im konkreten Fall aber nicht eingehalten wurde und auch nicht mehr eingehalten werden könne. Dem Kläger stünde daher das Recht zur Wandlung zu. Aufgrund eines gemeinsamen Irrtums sei er darüber hinaus auch zur Irrtumsanfechtung berechtigt.

Das Landesgericht St. Pölten zog dem Kläger jedoch nach Schätzung gem. § 273 ZPO ein Benützungsentgelt in Höhe von EUR 18.000,00 ab.

OLG Wien dreht Entscheidung um und weist Klage ab (2. Instanz)

Der beklagte Autohändler erhob gegen das Urteil des LG St. Pölten Berufung an das OLG Wien und begehrte Klagsabweisung. Auch der Kläger erhob eine Berufung mit dem Argument, dass das vom LG St. Pölten abgezogene Benützungsentgelt zu hoch war. Das LG St. Pölten, so Rechtsanwalt Dr. Thomas Kainz, hätte für das Benützungsentgelt die günstigere lineare Berechnungsmethode heranziehen müssen. Entsprechend hätte dem Kläger ein weiterer Betrag von rund EUR 6.000,00 zugesprochen werden müssen.

Das OLG Wien drehte die erstinstanzliche Entscheidung um und wies das Klagebegehren ab.

OGH mit Urteil im Abgasskandal: Recht auf Wandlung und Benützungsentgelt nach der linearen Berechnungsmethode bestätigt (3. Instanz)

Urteil des OGH im Abgasskandal vom 25.5.2023 zu 3 Ob 142/22m

Infolge der vom Kläger sodann eingebrachten ordentlichen Revision an den OGH entschied der OGH sodann wiederum zugunsten des Klägers.

Mit Urteil vom 25. Mai 2023 zu 3 Ob 142/22m, Rechtsanwalt Dr. Kainz zugestellt am 4. Juli 2023, erkannte der OGH im Abgasskandal zu Recht, dass der Kläger zur Wandlung (= Aufhebung) des Kaufvertrages und entsprechend zur Rückerstattung des Kaufpreises samt 4 % Zinsen, abzüglich des vom Kläger richtig nach der linearen Berechnungsmethode berechneten Benützungsentgelts, Zug um Zug gegen Fahrzeugrückgabe berechtigt sei. Folglich sprach der OGH dem Kläger auch den von ihm begehrten Mehrbetrag von rund EUR 6.000,00 zu.

OGH: unzulässige Abschalteinrichtung begründet Sachmangel

Der OGH folgte der Rechtsansicht von LEGAL CHAMBERS Kainz, dass die im Fahrzeug verbaute Umschaltlogik einen Sachmangel begründet, da diese eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn der Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EU darstellt. Die Frage, ob darüber hinaus – wie von Rechtsanwalt Dr. Kainz argumentiert – ein Rechtsmangel in der mangelnden Rechtsbeständigkeit der Typengenehmigung liegt, ließ der OGH mit der Begründung offen, dass bereits die nicht erfolgreiche Behebung des Sachmangels die begehrte Wandlung rechtfertige.

Softwareupdate wirkungslos

Der OGH bestätigte Rechtsanwalt Dr. Kainz weiter darin, dass sich dieser in erster Instanz hinreichend konkret darauf gestützt hatte, dass das von durchgeführte Softwareupdate wirkungslos war, also den ursprünglich vorhandenen Mangel nicht behoben hätte. Laut OGH sei es unerheblich, dass der Kläger nicht den Begriff „Thermofenster“ verwendet habe, zumal der vom Erstgericht bestellte Sachverständige ohnehin zum Thema Thermofenster Stellung genommen und dargelegt hätte, dass der emissionsmindernde Modus nur im Temperaturbereich zwischen 15 bis 33 Grad Celsius voll wirksam sei.

OGH: Thermofenster nach Softwareupdate „gerichtsbekannt“

Der OGH erachtete eine Aufhebung und Zurückverweisung der Entscheidung an die 1. Instanz nicht für notwendig: Dass das Erstgericht zum Thema „Thermofenster“ keine Feststellungen getroffen hatte, schade – so der OGH – nicht. Nach dem OGH sei mittlerweile nämlich – insbesondere aufgrund der Entscheidungen 10 Ob 2/23a und 3 Ob 140/22t – gerichtsbekannt, dass die neu installierte Software beim Motor EA189 ein Thermofenster beinhalte. Aufgrund dessen komme der emissionsmindernde Betriebsmodus nicht mehr nur im Prüfbetrieb, sondern auch im Fahrbetrieb zum Einsatz, wobei dieser allerdings nur bei Außentemperaturen zwischen 15 und 33 Grad Celsius voll wirksam sei.

OGH: im deutschsprachigen Raum herrschenden klimatischen Verhältnisse offenkundig

Der OGH erachtet auch die im deutschsprachigen Raum herrschenden klimatischen Verhältnisse als offenkundig und verweist dabei auf die im Statistischen Jahrbuch Österreichs, herausgegeben von der Statistik Austria, veröffentlichten Lufttemperaturen.

Thermofenster vom Motor EA189 jedenfalls unzulässig

Das zugrunde legend kommt der OGH zu dem richtigen Ergebnis, dass die Abgasrückführung aufgrund des Thermofensters nur in vier oder fünf Monaten im Jahr voll aktiv ist. Unter Bezugnahme auf den EuGH folgt der OGH der Rechtsansicht von LEGAL CHAMBERS Kainz, dass es sich bei dem Thermofenster um eine unzulässige Abschalteinrichtung handelt. Da das Softwareupdate sohin den Mangel der unzulässigen Abschalteinrichtung nicht beseitigt hat, sei der Kläger gegenständlich zur Wandlung des Kaufvertrages berechtigt.

Benützungsentgelt nach der linearen Berechnungsmethode; 4 % Zinsen

Auch in puncto Benützungsentgelt folgte der OGH der Argumentation von LEGAL CHAMBERS Kainz: Für dieses sei die lineare Berechnungsmethode heranzuziehen und zwar auch in Bezug auf die Winterreifen. Im Gegenzug seien dem Kläger Zinsen in Höhe von 4 % zuzusprechen.

Das Urteil des OGH im Abgasskandal ist rechtskräftig und vollstreckbar.

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Links:
OGH, 3 Ob 142/22m vom 25.5.2023
EuGH, Urteil vom 14.7.2022, C-145/20
OGH, Urteil vom 21.2.2023, 10 Ob 2/23a im RIS
OGH, Urteil vom 25.4.2023, 10 Ob 2/23a im RIS

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